Das literarische Kaleidoskop von Regina Kehn

Rotkaeppchen-fuer-junge-Leserinnen

Ich mag die Zeichnungen und Bilder von Regina Kehn sehr – was nicht daran liegt, dass ich die Illustratorin persönlich kenne. Als sie mir Anfang des Jahres ihr neues, eigenes Buch zeigte, war ich gespannt: Und ich muss sagen, es gefällt mir ausgesprochen gut! Darum dachte ich mir, ich stelle ihr doch mal ein paar Fragen. Ihre Antworten findet ihr weiter unten auf dieser Seite. Da geht es um das Aufbrechen von gewohnten Mustern und darum, neue Wege zu beschreiten. Zuerst aber ein bisschen über das Buch selbst.

Geschichten und Gedichte in Illustrationen eingebunden interpretiert – so lässt sich wohl ausdrücken, was Kehn gemacht hat. Und lasst euch bitte nicht von der Bild rechts irritieren: Dieses Buch ist keinesfalls nur für junge Literaturfans. Bei mir liegt es nun schon einige Wochen neben dem Sofa und ich denke überhaupt nicht daran, es dort wegzunehmen. Es bringt mir einfach zu viel Spaß, darin herumzublättern, mich in die Illustrationen und Texte zu vertiefen und sie neu zu erleben. Jedesmal frage ich mich, was meine Lieblingsgeschichte ist – aber ich habe mich immer noch nicht entschieden.

Die vielfältige Bebilderung lässt mich neu auf vieles Bekanntes gucken – einiges habe ich jedoch auch neu entdeckt. „Der goldene Schlüssel“ der Brüder Grimm kannte ich nicht (ich mag die weißgraue Winterstimmung bei dieser Geschichte), „Das arme Kräutlein“ von Ringelnatz hingegen schon. Nie lagen die graue Stadt am Meer und der Meeresstand von Storm für mich näher an der Nordsee. Und Morgensterns Seufzer finde ich einfach hinreißend, wenn auch höchst bedauernswert.

Andere Fundstücke in diesem Buch stammen von Kafka, Charms, Krüss, Eich, Zech, Mayröcker, Gustav Falke, Rose Ausländer, Georg Heym, Günter Kunert. Alle Texte sind im hinteren Teil des Buches noch einmal ohne Illustration mit dem Originaltext abgedruckt, dazu gibt es für jeden Schriftsteller noch eine kurze Vita.

Regina Kehn im Gespräch

Wie ist die Idee zu dem Buch entstanden? Ist der Verlag an dich herangetreten oder du an den Verlag? 

Ich habe im Sommer 2010, ohne an ein Buch zu denken, für mich angefangen, Gedichte mit einem großen Pinsel zu schreiben und zu zeichnen, einfach, um etwas Neues zu machen. Den ersten Text habe ich in Frankfurt auf der Buchmesse gezeigt, ohne zu glauben, dass jemals ein Buch daraus entstehen wird.

Die Gedichtauswahl finde ich wirklich großartig. Wie kam es dazu?

Erstmal habe ich natürlich ganz viele Gedichte gelesen. Und dabei entstehen oft innere Bilder, aber eben nicht bei jedem Text.
Wenn diese Bilder diffus waren, hatte ich große Lust, daran weiter zu arbeiten. Manchmal stieg da ein Farbklang auf, oder eine bestimmte Figur. Ein Auswahlkriterium: Dass ich mich gefragt habe, was ich noch zu einem Text setzen könnte. Ich habe dabei an Altbekanntem angeknüpft und von dort ausgehend gelesen, also Morgenstern und Ringelnatz, die ich beide gut kannte, aber auch da habe ich Texte neu entdeckt wie „Das arme Kräutlein“.
Eigentlich war die Textauswahl also sehr intuitiv.

Man kann dieses Buch sowohl kleinen Kindern vorlesen als auch als Erwachsener darin versinken. Hattest du einen speziellen Leser vor Augen, als du es gemacht hast?

Wie gesagt, als ich angefangen habe, dachte ich gar nicht daran, daraus ein Buch zu machen. Ich wollte eher etwas machen, was nichts mit meiner sonstigen Arbeit zu tun hat – eine Art Weiterentwicklung. Als sich der Fischer-Verlag dafür interessiert hat, war ich total glücklich. Danach hab ich mich ganz in die Texte hinein begeben, die waren Maßstab, dies umzusetzen war die Herausforderung.

Über welchen Zeitraum ist das Buch entstanden?

Ich habe fast drei Jahre immer wieder daran gearbeitet, das letzte Jahr vor Abgabe im Sommer 2013 fast vollständig.

Mir gefällt besonders, dass du unterschiedliche Stilmittel aufgreifst, sehr experimentell wirst – sicher auch über deine alltägliche Arbeit als Kinderbuchillustratorin hinaus. Wirst du damit künstlerischer, kehrst zu deinen Wurzeln zurück, oder …?

Ich zeichne ja schon sehr lange, aber ich wollte ganz weg vom Gewohnten. Und daher habe ich angefangen, mit der linken Hand zu zeichnen und zu schreiben, weil ich nicht in die vertrauten Bewegungen kommen wollte. Und das war sehr interessant, weil man in so einem Fall nicht mehr auf das zurückgreifen kann, was man so kann und so macht, weil die linke Hand sich ihren Weg erst suchen muss. Ich habe dann wieder auf die rechte Hand gewechselt, aber mich weiter in diesem Spannungsfeld bewegt und vom Prozess leiten lassen. Generell mag ich diesen Pinselstrich, weil jede Bewegung der Hand im Duktus deutlich wird und er sehr lebendig zu handhaben ist.  Es war im Grunde ganz simpel: Der Pinsel, die Wasserfarbe, die Tusche auf dem Papier …

Ich wollte also weg vom Üblichen, zurück zur Wurzel, zur ursprünglichen Liebe zur Zeichnerei und im Prozess haben sich ganz andere neue Dinge ergeben.

Ich musste beim Lesen auch an die alten 70er-Jahre-Bücher von Beltz & Gelberg denken und an die Jahrbücher für Kinder aus dem gleichen Verlag, diese Wundertüten voller Vielfalt. Siehst du dein Buch in einer bestimmten Tradition oder steht es einfach für sich?

Es steht schon für sich. Manchmal habe ich still bei der Vorstellung gelacht, in diesen digitalen Zeiten ein Buch zu veröffentlichen, welches nur handgeschriebene Text enthält. Auch die Verbindung Text und Bild auf einem Blatt, und das zeilenweise bebildern, wodurch die Gedichte sich über einige Seiten erstrecken, ist neu.

Hast du bereits ein nächstes Herzensprojekt?

Nein, es gibt ein paar Ideen, noch etwas diffus und zu früh darüber zu sprechen.

 

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Regina Kehn
Das literarische Kaleidoskop
S.Fischer Verlag | KJB
ISBN 978-3-596-85618-3
16,99 Euro

Leseprobe

Am 20. März gibt Regina Kehn übrigens einen kleinen Illustrationsworkshop für Kinder in Wien.

 

16. März 2014 von Britta Freith
Kategorien: Arbeitsalltag | 1 Kommentar

1 Kommentar

  1. Danke für diese Empfehlung. Dieses Buch möchte ich auch besitzen, und ich weiß auch schon, wem ich es schenken möchte. Der Buchhändler meines Vertrauens hat soeben eine Mail bekommen 🙂

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