Ich auf der re:publica. Erster Teil der Zusammenfassung.

Ich sammle am liebsten Momente. Das mache ich immer, aber auch und besonders auf der re:publica. Mein bisheriger Lieblingsmoment ist dieser, vom ersten Tag:

Buchlesende junge Frau.

Buchlesende Unbekannte.

So poetisch, so anachronistisch. Ich habe die Frau mit dem Buch gefragt, ob ich ihr Bild zeigen darf. Ja, darf ich. Aber nur ohne Namen. Sie hat weder einen Twitter- noch einen Facebook-Account. Sie ist online nicht präsent. Aber sie wollte gern wissen, was hier so los ist, was für Menschen kommen, worüber sie reden.

Ebenfalls poetisch: am ersten Abend, als die Veranstaltung noch ein pre: vorne dran hatte, habe ich in der Schlange jemanden getroffen, der mir eine Flasche Mate mitgebracht hat. Einfach so, war halt allein hergekommen. Darüber habe ich mich sehr gefreut, habe ihn aber bisher in diesem Auflauf hier noch nicht wiedergesehen. Auf diesem Weg also einen Gruß an René.

Die dritte Poesie, die schon im Absurden mündet: Neben mir in der WordPress-Session saß ein junger Mann in schickem Zwirn mit Brille, der einen Stapel ausgedruckter E-Mails auf dem Schoß hatte und in seinem Printprogramm blätterte. Irgendwann meinte er zu mir, es sei doch seltsam, dass alle hier in ihre Geräte starrten, statt sich kennen zu lernen. Ähm ja. Ich bin dann gegangen, das lag aber daran, dass es wider Erwarten eine Veranstaltung für Einsteiger war.

Auf der Session „Willkommen in meinem Wohnzimmer: Lifestyle-Blogs“ habe ich etwas zur Diskussion beigetragen und mich wieder einmal geärgert, dass ich so eine bescheuerte Webadresse habe. Meinen Namen kann ich noch sagen (niemand weiß dann, wie er geschrieben wird), insbesondere meine Blogadresse geht gar nicht mehr. Ging gar nicht mehr. Ich habe mir nämlich jetzt bessere-inhalte.de (und .com und .tv) gebucht. Noch während der Session. Hätte ich schon längst machen sollen.

Neuerdings wird auf der re:publica gesiezt. Ich zumindest. Das heißt, ich muss mir einen Termin auf der Schönheitsfarm holen oder (besser) die PR-Fredel sollen weggehen. (Oder alle unter 30? Nee, war nicht so gemeint.)

Was ich mir so von Sessions merke:
(Es sind leider nicht immer die wesentlichen Sachen.)

Bei Lobo, dass die dreidimensionale Wahrnehmung von Frauen meist anders ist, als die von Männern. Männer nehmen Dreidimensionalität häufiger durch die Verschiebung von Flächen und Formen gegeneinander wahr. Frauen dagegen achten eher auf Schattierungen. Darum wird Frauen mit von Männern erdachten Augmented-reality-Brillen eher schlecht. Der ansonsten unbedingt anhörenswerte Vortrag ist hier.

Balázs Bodó hat seine Präsentation mit Prezi gehalten. Das ist per se sehr schön. Ich stehe auf Canvas-Lösungen. Über das Thema Shadow Libraries möchte ich gern mehr wissen.

Peter Troxler spricht 4 Sprachen fließend und hat mir erstmals eine wegweisende Idee im Zusammenhang mit 3D-Druckern nahegebracht. (Abgesehen von dem, was ich eh schon wusste.)

„Überwachung macht impotent“ zeigte leider nur die Impotenz von Friedemann Karig, sich Eitelkeiten zu verkneifen und beim Thema zu bleiben. In Minute 25 erwähnte er sein eigentliches Thema erstmals (Handwerkszeug gegen das Argument: „Ich habe nichts zu verbergen.“), nach 45 Minuten hatte er immer noch keinen einzigen Punkt dazu genannt. Schade.

Anatol Stefanowitsch hat mir mit seinen viel viel viel zu kurzen sprachpolizeilichen Ermittlungen erhebliche Freude gemacht.

Jonny Häusler folgte mit seinem Vortragsnamen im Grunde der eigenen Prämisse: Es passierte nichts, das jedoch höchst unterhaltsam.

Der DMW-Vortrag war in Teilen interessant, hat mich aber extrem dadurch verärgert, dass Frauen mit einer grundsätzlich guten Idee sich selbst beweinend auf der Bühne standen. Nicht alle, eigentlich nur Franziska von wefound.org. Alle anderen waren gut drauf. Wenn man eine gute Idee hat, kann man sie doch positiv präsentieren? Warum muss man auf der Bühne stehen wie ein drohendes Gewitter? Und erstmal zehn Minuten lang erzählen, dass Frauen häufig eine erbämliche Meinung von sich haben und daran selbst schuld sind. Vielleicht hat sie ja gemerkt, dass die Frauen in der Runde erst auf ihre Aufforderung hin geklatscht haben – ich frage mich aber sehr, warum die Frauen geklatscht haben. Ich mag’s lieber positiv und brauche keine mahnenden Drohfrauen um mich herum.

Die offizielle Party am ersten Abend hätte auch „Nebel auf dem leeren Bahnhof“ heißen können und zeigte mir, dass mich gezielt gesuchte Kleingruppen an schönen Orten weiterbringen. Ich war deswegen am zweiten Abend zu zweit essen und habe dies als weit größeren Gewinn empfunden als die Suche nach Tassenbier.

(Wird fortgesetzt.)

08. Mai 2014 von Britta Freith
Kategorien: Arbeitsalltag | 6 Kommentare

Kommentare (6)

  1. Liebe Britta,
    das ist ein ganz wunderbarer Beitrag, ich fühle mich, als wäre ich auch in Berlin.
    Danke dafür.

    Martina

  2. So ein tolles Posting! Martina hat Recht! Danke Britta!

  3. Euer Lob freut mich sehr und besonders! 🙂

  4. Wirklich ein schöner Beitrag, kann mich Martina und Biggi nur anschließen :-). Den Absatz zum DMW-Vortrag finde ich besonders interessant, weil das auch häufig mein Problem mit solchen Frauenveranstaltungen ist. Wenn Frauen selber ein Problem daraus machen, dass sie Frauen sind, finde ich das immer irgendwie befremdlich :-).

    Liebe Grüße und noch viel Spaß heute
    Katja

  5. Liebe Britta, stimmt. Auf die Webadresse wäre ich nicht gekommen. Aber wir haben Dich gesiezt? Weiß ich gar nicht mehr. Auf jeden Fall danke fürs Mitmachen und Beitragen. Ein wenig chaotisch war es alles, aber gut.

    • Ich fand es gar nicht so chaotisch auf eurem Panel. Angenehmer Wohnzimmertalk. Und nein, ihr habt mich nicht gesiezt. Das waren alles junge Kerle 🙂

Schreibe einen Kommentar zu Katja Antworten abbrechen

Pflichtfelder sind mit * markiert


Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.