Neues von den Flüchtlingszelten auf dem Ohlstedter Platz

Während ich diesen Artikel schreibe, klingt es, als würde um die Ecke ein Segelschiff aufgetakelt. Rufe, Klirren, lautes Schlagen… sind aber nur die Bundeswehrsoldaten, die rund 100 Meter von mir weg weitere Zelte für Flüchtlinge aufbauen. 35 sollen es heute Abend sein, 41 sollen es werden. Ursprünglich hieß es 42, aber bei einem hätten sie zu viel von einem der großen Bäume wegnehmen müssen. Außerdem wussten die Architekten, die den Aufbau planten, nichts von einem Graben, der Platz wegnimmt. Und ein Zelt braucht immerhin 40 qm.

Ging alles ziemlich holterdipolter. Das hat mir heute auch Fregattenkapitän Jürgen Tissier bestätigt, der den Einsatz leitet. Mit ihm konnte ich dann auch in die Zelte und aus der Nähe Fotos machen. Gestern ging das ja noch nicht. Aber heute scheint ohnehin alles viel lockerer, vielleicht auch, weil die Securitas-Mitarbeiter von so viel Freiwilligen gut gefüttert werden.

Versorgungsstelle er freiwilligen Helfer.

Versorgungsstelle der freiwilligen Helfer.

Der Einsatz der Anwohner ist wirklich großartig. Einige standen heute schon den dritten Tag am improvisierten Stand, um selbst zusammengestelltes oder kopiertes Infomaterial zu verteilen, mit anderen zu reden, Spenden zu sammeln, Kaffee, Kuchen und Snacks zu verteilen. Aufgeregte werden beruhigt, Adressen gesammelt. Viele wollen helfen, geben an, was sie besonders gut können. Bis heute Abend sind 50 Kinderbetten zusammengekommen, dazu Hochstühle und Kinderwagen. Und es wird mehr werden, wie toll. Für morgen wird übrigens wieder Essen auf die Hand gebraucht, auch Kaffee ist willkommen. Der Stand wird wenigstens so lange da sein, wie die Bundeswehr vor Ort ist. Danach werden wir sehen. Wer also spenden möchte: gern!

Die guten Gaben stapeln sich im Zelt: Kinderstühle, Bettwäsche...

Die guten Gaben stapeln sich im Zelt: Kinderstühle, Bettwäsche…

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… Betten, Lattenroste, Kinderwagen. Im Hintergrund sieht man die Fenster ganz gut.

Diesen Absatz habe ich geändert. Bisher hatte ich gesagt, dass ich das Verhalten der Behörde schwach finde. Weil nur die Mitarbeiter der Bundeswehr auf Fragen geantwortet haben, obwohl es gar nicht ihre Aufgabe ist. Sie finden es aber nötig. Die Polizei war bis Sonntag irgendwann mittags vor Ort – um Fragen zu beantworten, denn auch da fand es die Leitung wichtig, mit Menschen zu reden. Das geschah aus eigenem Antrieb. Aber von der veranstaltenden Behörde: niemand. Das stimmte aber nicht, denn Hermann Dietrich vom Einwohner-Zentralamt war sonntagfrüh privat da und hat sich den Fragen gestellt. Abgelöst wurde er von der Amtsleiterin Johanna Westphal. Also drücke ich mich mal anders aus, denn an den beiden liegt es definitiv nicht. Vielleicht sollte sich aber mal jemand aus dem Bezirksamt auf den Weg machen? Fände ich angemessen.

Natürlich wollen alle wissen, wann nun Flüchtlinge kommen. Heute hieß es, bis Mittwoch würde wohl noch aufgebaut. Es fehlt ja bisher die ganze Versorgungsinfrastruktur. Wir können nur vermuten, dass es morgen von Seiten der Stadt damit losgeht.

Nun aber zu dem, was ich heute noch erfahren habe. Erzählt hat es mir dieser Mann. Er wohnt übrigens in Ohlstedt und ist sogar hier zur Schule gegangen.

Jürgen Tissier, Fregattenkapitän und Protokollstabsoffizier vom Landeskommando Hamburg

Jürgen Tissier, Fregattenkapitän und Protokollstabsoffizier vom Landeskommando Hamburg

Morgen hofft er, die aufgebauten Zelte an einen Verantwortlichen der Stadt Hamburg zu übergeben. Wie und wann das klappt, wusste er aber noch nicht. Mittags vielleicht – es gibt dafür keinen festgelegten Ablauf. Und das scheint nicht an der Bundeswehr zu liegen. Ich glaube, da haben sie für alles einen festgelegten Ablauf. Sogar, wenn der pressebegleitende Bundeswehrfotograf eine Frage hat. Mit Gruß und allem, habe ich selbst gesehen 😉

Heute wurden Feldbetten in die Zelte verteilt, aber noch nicht aufgestellt. Die Bundeswehr will schlicht ihre Transportmittel geleert haben. Die Betten sind schwer und stammen noch aus alten NVA-Beständen. Für Detailverliebte: Material wie dieses wird in einem alten Stollen in Brandenburg gelagert.

Feldbetten der robusteren Art.

Feldbetten der robusteren Art.

Matratzen kamen auch dazu. Ich habe gefragt: Bequem ist das nicht sonderlich, aber es geht für den Übergang. Und da es ja wohl ein Erstaufnahmelager wird, ist der Wechsel schnell, wenn die Behörden zügig auf feste Unterkünfte verteilen können. Im benachbarten Ammersbek (Schleswig-Holstein) soll das innerhalb weniger Tage klappen. Bei der derzeitigen Lage in Hamburg… werden wir sehen.

Nur wenige Zentimeter dick. Aber besser als ohne.

Nur wenige Zentimeter dick sind die Matratzen.

Normalerweise werden die Matratzen wohl nach jedem Wechsel gereinigt. Also ist es gut, dass sie dünn sind. Tissier nahm an, dickere Matratzen würden auf dem Sondermüll landen. Spenden in dieser Richtung scheinen also wenig sinnvoll.

Hier sind die Kästen mit der Beleuchtung. Wir haben nachgeguckt: von 1965. Aber frisch TÜV-geprüft.

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In jedes Zelt kommt eine dreifache Verteilerdose mit drei Lampen.

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Die Steckdose ist gegen Witterung geschützt.

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Zwei Neonröhren pro Lampe.

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Noch einige interessante Fakten über die Zelte: Wir haben geraten, wie viele davon die Bundeswehr hat, und uns krass vertippt. 150 sind es ingesamt! 63 davon gehen an Hamburg, 41 hier bei uns auf den Platz. Der Rest ist wohl auch schon versprochen. Das übliche Presse- und Gartenfest der Bundeswehr (WAS es aber auch alles gibt!) muss diesmal ohne sie auskommen. Wobei sich das wohl am ehesten verschmerzen lässt. Und neue sind anscheinend schon geordert. 15.000 kostet eins.

Die Lage am Teich ist tatsächlich ungewöhnlich idyllisch. Da fände ich eine Absperrung übrigens wirklich angebracht, falls kleine Kinder kommen. Sehr spannend mit den vielen Fröschen und Vögeln, und schwupp! liegt man drin.

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Nur wenige Meter weiter ist nichts mehr von dem ganzen Auflauf zu sehen und zu hören. Nur Abendstille. Nach 20 Uhr takelt auch keiner mehr auf.

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Es gibt eine Facebookgruppe zum Austausch für alle, die helfen möchten: Hier geht es dorthin.

09. August 2015 von Britta Freith
Kategorien: Fensterblick, Ohlstedt | 3 Kommentare

Kommentare (3)

  1. Liebe Britta Freith – vielen vielen Dank für diese perfekte Berichterstattung – und das alles so gut funktionierte. Christiane und Claudia haben vorbildliche Arbeit dort geleistet. Ich kann gut verstehen, dass Sie nicht mit vielen noch Unbekannten Fb-Freunde sein möchten. Man braucht z. Zt. keine “ Mitläufer“ sondern Helfer. Es ist sehr erfreulich, dass schon so viele Dinge gespendet wurden. Auch die direkte Anwohnerin – Frau Bröker – war und ist sehr hilfsbereit und spendabel. So werden wir hoffentlich diese Flüchtlingsunterkunft gut auf dem Weg begleiten. Ich hörte das viele junge Mädchen sich auch um Kinder kümmern möchten (reden, spielen usw.). Noch einen schönen Abend.

  2. Guten Tag,
    ich würde mich gerne einbringen bei einer evtl, Betreuung der Flüchtlinge.Da ich nicht bei Facebook mitmache,komme ich auch nicht an Informationen.
    Vielleicht auf diesem Wege?
    Liebe Grüße
    Elke Jochim

    • Liebe Elke Jochim,
      so viel ich weiß werden in der Kirche Adressen gesammelt. Inwieweit in den kommenden Tagen noch Freiwillige auf dem Ohlstedter Platz stehen, weiß ich nicht. Dort wäre aber auch eine Anlaufstelle. Am Donnerstag ist um 18 Uhr eine offizielle Infoveranstaltung in der Pausenhalle des Gymnasiums Ohlstedt. Ich kann mir vorstellen, dass dort auch viele Hilfswillige sein werden und sich so etwas ergibt.

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