Gartenfreuden

Ich habe ja seit zwei Jahren einen Garten. Das heißt: endlich mal einen richtig großen Garten. Nicht zwei Handtücher neben einer Terrasse hinter einer Hecke vor einer Straße. Nein, mein (also eigentlich: unser) Garten ist amtlich, ich glaube, er hat 600 qm. Oder 800? Ganz sicher ist das nicht, weil große Teile des Grundstückes urwaldartig verwildert sind.

Bevor ich ihn hatte, wurde dieser Garten fünf bis zehn Jahre lang höchstens rudimentär gepflegt. Darüber freuten sich Giersch, Brennesseln und Wühlmäuse. Ich habe mich auch gefreut, weil ich meine gestalterische Gartenader pulsieren fühlte. Heute freue ich mich nicht mehr ganz so, weil Giersch und Brennessel ältere Rechte geltend machen. Die Wühlmäuse halten Gründungssitzungen für eine gemeinsame Gewerkschaft mit den Maulwürfen ab. Ich bin mir absolut sicher, ich höre sie unter der Erde kichern. Die kleine rote Flagge, die ich neulich aus einem der Haufen zog, sprach in meinen Augen ebenfalls eine fast zu deutliche Sprache.

Dabei finde ich es ja ganz o.k., wenn sie da sind. Es ist genug Platz für alle. Sie könnten sich doch aber wohl bitte an meine Spielregeln halten! Eine davon ist: Wo Gemüse wächst, ist die Anlage unterirdischer Bauten aller Art verboten. Dazu gehören auch Zugangsstraßen, Verbindungsstraßen, Autobahnkreuze und Sackgassen. Asphaltiert sowie unasphaltiert.

Das Wühlgezeugs im gärtlichen Untergrund würde möglicherweise auf die Einhaltung seiner Umweltrechte pochen, könnte es hier mitreden. Unter uns: Ich glaube, die sind die totalen Umweltsäue. Von verkehrsberuhigten Zonen haben die noch nie gehört. Wie könnte es sonst sein, dass unser Rasen inzwischen ein Netz vielverzweigter Rinnen aufweist, das die subhume totale Bodenversiegelung quasi beweist?

Wieso ist den Grablingen nicht die Schönheit einer von oben stalaktitenhaft herabragenden Möhrenreihe bewusst? Und hallo, ich bevorzuge alte Sorten! Es gibt die konischen Säulenreihen also nicht nur in leuchtendem Orange, sondern in lila, blau, rot und gelb. Kunstkenner seufzen jetzt verzückt auf! Nicht aber die Unterirdischen. Sie nagen und buddeln unbeeindruckt weiter. Ich bin mir sicher, sie überlegen auch mehrere Startbahnen anzulegen – man hört von Höhlenbienen und -wespen, die davon begeistert wären.

Wo der Giersch wuchert, werden übrigens keine Verkehrstraßen gebaut. Das mag an der engvernetzten Gierschwurzelmatte in den oberen zwanzig Zentimetern Bodenschicht liegen. Die wühlmäusische Kostennutzenrechnung nimmt diese Bereiche aus. So kommt es, wenn reine Wirtschaftsinteressen die Strategien von Großmächten steuern. Da wird eine gewachsene, vielfältige Landschaft zerstört, nur um Monokulturen zu fördern und das Kulturgut Garten der Vernichtung anheimfallen zu lassen. Für unterirdische Straßenbauaktienkurse!!

Aber ich mache das nicht mehr mit. Ich halte jetzt täglich eine Mahnwache in meinem Garten ab. Wenn es nichts hilft, fange ich an, Engerlinge und Regenwürmer zu futtern. Dann sollen die mal sehen, ich brauche nämlich mehr von dem Zeug als die. Ich lasse mir meine Anbaukultur doch nicht von widerlichen Spekulations-Wühltieren kaputtplanen. Ich kann mich partiell umstellen, kann umdenken, mich den Gegebenheiten anpassen. Wir werden ja sehen, wer den Kürzeren zieht! Oh, das werden wir sehen.

27. Juli 2011 von Britta Freith
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