Einseitige Gespräche (2)

Ich fahre zur Zeit vermehrt U-Bahn. Um mich herum brüllen Menschen haltlos in ihre mobilen Geräte. Ich schreibe mit.

Mann, Anfang zwanzig. Eher bulliger Typ. Sehr kurze Haare, kein Bart.

Hallo. Hallo. Hatte keinen Bock zu schreiben. Bis Viertel nach acht hab ich jetzt Zeit mit dem Handy.

[hört 5 Minuten lang zu]

Redest du gerade mit mir? Hä?

[hört 3 Minuten lang zu]

Ja. Ich merk schon. Aber wenn du so ein gutes Herz zeigst, ist klar, dass jeder was von dir will.
Ja, ich weiß. Was ist denn das für ein Familienhaus bei dir, ich dachte, du wohnst alleine?
Du musst jetzt einkaufen?

Ach, du warst bei deiner Mutter. Ist ja praktisch, wenn du so nah wohnst. Kannst du ja gleich wieder einziehen.
Kannst doch da schlafen, und Freitag, wenn du mich abholst, gehen wir zu dir.

Nee, erzähl du.

Ach, wegen dem Kleinen? Vielleicht hast du ihn einfach auch zu sehr daran gewöhnt. Wenn du dich jeden Abend daneben legst, bis er einschläft? Das ist doch wie mit einem Schnuller, wenn man den immer gibt, gewöhnen sich die Babys auch dran. Naja, musst du wissen, du bist Mutti.

Hier regnet’s. Es kommt mir eh so vor, als ob ich sechs, sieben Flugstunden von dir weg bin.

Ich weiß, was du machen kannst! Du kannst deinem Sohn jeden Tag erzählen: Morgen schläfst du bei Oma. Dann will er das.

Ach, Pubertät? Dann muss ich mal zwei Red Bull holen.

Also bist du Samstagvormittag bei deinem Cousin in Hamburg, und abends treffen wir uns? Ja?

Ja, ok. Also ist es sowieso noch nicht hundert Prozent, dass du kommst. Ich meine jetzt: zu mir.

Jaja, mach dir keinen Stress.

Besser wär’s für dich, wenn du kommst. Weil du mir schon so oft gesagt hast … Aber dafür kann ich mir auch nichts kaufen, wenn du nicht kommst.

Ich war eh erst in einer Woche drauf eingestellt. Also hungere ich halt noch ne Woche. Ja doch, muss ich mal ehrlich zugeben.

Kannst du doch später noch telefonieren. Ich muss jetzt was mit Arbeit besprechen, Shisha-Café. Ich bleibe aber nur ne Stunde, dann haue ich da wieder ab.

Kann sein, dass du gleich weg bist, da kommt der Tunnel. Ich ruf dann gleich zurück, wenn du weg bist.

Ich bin nicht so einer. Ich hab auch niemand. Diese Nummer ist gerade mal zwei Wochen alt. Da sind drei, vier Frauen drauf, die kennen dich alle. Guck doch mal auf Facebook.

Hallo?

Da bist du wieder. Oh, jetzt ist Katastrophe. Ich hab’s dir doch gesagt.

14. Februar 2014 von Britta Freith
Kategorien: In der U-Bahn | Schreibe einen Kommentar

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