Die Sache mit der Außenwirkung

Drauf gekommen bin ich, als ich mir vorgestern ein 50er-Jahre Mokka-Service gekauft habe. Schwarz-gold gestreift, von der Form her noch einen leichten Bauhaus-Einschlag. Wunderschön finde ich, ein Greuel, finden meine Mitbewohner!

Aber das ist eigentlich egal. Bekommen habe ich es in einem Antiquitätengeschäft für Geschirr. Ich wette, jeder hat jetzt ein bestimmtes Bild vor Augen. Und ich wette nochmal: Dieses Bild ist nicht das des Shops. Dieser Laden ist nämlich ganz hell, hat riesige Schaufensterscheiben, es gibt keinen Staub, die Gläser sind wie in einer Edelboutique arrangiert. Auch der Schriftzug an der Scheibe: Eher kühl, modern, zwar Gold, aber ohne Schnörkel… Der ganze Eindruck ist nicht: Hier gibt es alte Sachen. Außerdem scheint ganz klar: Hier ist es teuer!

Genau das sei ihr Problem, sagte mir die Ladenbesitzerin. Die Leute kämen herein, sagten: „Oh, welch schönes Geschirr!“ und möchten die Linie dann in Grün statt Rot bestellen. Wenn Sie dann hörten, das Ganze sei von 1930 und nicht veränderbar, wären sie erstaunt bis pikiert. Denn diese Menschen wollen kein gebrauchtes Geschirr. Daraus hat ja schon jemand getrunken! (Und wer weiß, was sonst noch alles.)

Ja, sagte die Ladenbesitzerin, sie hätte es wohl einfacher, wenn sie nicht in einem Vorort, sondern in einem Szenestadtteil säße. Außerdem bräuchte sie einen alten Opa hinterm Tresen, der ein Pfeife schmaucht und dessen Bart durch den Tisch wächst. Vielleicht auch einen Inder, der außerdem zertretene vorderasiatische Kinderschuhe und Ledertaschen verkauft (die kenne ich aus verschiedenen Orten in Hamburg).

Generell kann man sich hier darüber Gedanken machen, was man mit seiner Außenwirkung alles anrichten kann. Wie zermartere ich mir manchmal den Kopf, ob ich zum ersten Kundengespräch im Anzug oder im modischen Fummel gehe. Passen der 60er-Jahre Druck, die 15-Zentimeter-Blockabsätze? Welches Haargummi – oder lasse ich die Haare offen? Nein, Frauen mit offenen Haaren werden nicht so ernst genommen, habe ich gelesen.

Neulich habe ich mich wohl vertan. Der potentielle Kunde schien sich gar nicht wohlzufühlen, als ich dort im Anzug aufschlug. Aber es ging um ein größeres Projekt – ab einem bestimmten Auftragsvolumen passt vielleicht nur noch Zwirn? Andererseits: Kreativität strahle ich möglicherweise eher im Witzig-Bedruckten aus…

Der zweite Punkt: Meine Adresse. Nicht im pulsierenden Leben der Großstadt. Ich wohne unspektakulär am Stadtrand. Ein ständiges Gesprächsthema: „Na, Sie wohnen ja weit draußen…“ (Unterton: Landei!)

Kommt es zum Kundengespräch, ist die größte Hürde ja schon genommen. Viel wichtiger also: stimmt die Internetseite, passt sie zu dem, was ich ausdrücken will? Und beurteile ich möglicherweise meine potentiellen Kunden ganz falsch? Ich nehme zum Beispiel an, dass ich mit meinem Website-Design (Hauptseite) keine Ökofreaks anziehe. Dumm, wenn ich viel über Naturthemen schreibe. Gut, wenn ich davon weg will.

Aber vielleicht funktioniert es auch anders? Und man zieht genau die Menschen mit einem abwegigen Design an, die sagen: „Endlich mal was Anderes! Endlich ausgetretene Pfade verlassen!“

Das kann klappen, birgt aber auch ein Risiko. Einfach macht man es potentiellen Kunden, wenn sie sofort erkennen: Hier gibt es Radio, hier gibt es Kunst, hier Antiquitäten – und hier Stricksocken. Suchende bleiben einfach schneller hängen.

Im Gedächtnis bleibt man natürlich, wenn man sie gerade mit einem ungewöhnlichen Auftritt überzeugen kann.

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P.S. Ich weigere mich neumodern „Gräuel“ zu schreiben, seitdem mir gestern auffiel, dass „greulich“ und „gräulich“ etwas ganz anderes ist.

22. Oktober 2007 von Britta Freith
Kategorien: Marketing, Selbstdarstellung | Schlagwörter: , | Schreibe einen Kommentar

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