Dada Data Alpha BETA – Warum Beta so wichtig ist

Ich hatte vor einigen Wochen das Vergnügen, Jean-Philippe Maheu von Ogilvy bei einem Vortrag auf der Siemens Web Conference zu hören. Sein Vortrag „Alpha Beta Dada Data“ war eine helle Freude. Und er hatte gar nichts dagegen, dass ich seine Ansichten weiterverbreite. Was ich hiermit in meinen eigenen Worten tue!
(JP ist Chief Digital Officer von Ogilvy North America).

Moderne Kreativität zeichnet sich dadurch aus, dass sie Funktionalität und Inhalt optimal verbindet. Klassische Werbekampagnen können demnach nicht mehr als Inbegriff von Kreativität gelten. Bei modernen Kampagnen ist es so, dass zwei oder mehr Dinge verbunden werden müssen, die bisher noch nicht verbunden sind. Man muss plattformübergreifend denken und arbeiten. Ganz wie bei Dada . Die im Grunde erste „Vermanschung“ verschiedener Möglichkeiten, damals noch in Form von Collagen – unter anderem.

Verschiedene Inhalte werden also vermischt und es entsteht etwas Neues. Davor sollte man keine Angst haben. Ein Beispiel dafür ist die Dove-Kampagne, die Ogilvy bei Youtube laufen ließ und die von Usern umgewandelt wurde. Ups, das war ja gar nicht mehr die eigentliche Botschaft, diese Slob-Evolution?

Dafür braucht man etwas Mut, Querdenken, einen Hang zum Unkonventionellen. Man muss also die Marke als Unternehmen neu bewerten, neu einstellen quasi, sich einen kreativen Partner suchen und die User dazu einladen oder einfach nur indirekt dazu animieren, mitzumachen und ihre eigene Erfahrung mit der Marke zu präsentieren. Dada in Hochform!

Um Menschen gezielt zu erreichen, muss man ihre Daten sammeln. (Data.) Das ist aus verständlichen Gründen gerade bei uns nicht beliebt. Für die Werbung ist es aber wichtig – und auch, wenn man einfach das Bedürfnis hat, Botschaften in die Welt hinauszuposaunen. Ich spreche schließlich auch gezielt Bekannte, Kollegen, Freunde an, wenn es mir wichtig ist, viele Leute zu erreichen. Wenn man also weiß, dass Michael findet „die Marke rockt“, findet sein Freund Sepp das vielleicht auch. Und wird direkt angesprochen.

Nötig ist es dabei, Geschichten zu erfinden bzw. die Adressaten Teil einer Geschichte werden zu lassen. Sie müssen Einfluss bekommen, etwas ändern dürfen, mitmachen. Als der Fotoapparat erfunden wurde, konnten realistische Portraitmaler mit ihrer Kunst nicht mehr viel werden: Zu teuer für den Massenmarkt! Also entwickelten sie neue, ungewöhnliche Techniken: Impressionismus, Kubismus… Sie hätten auch aufhören können. Haben Sie aber nicht.

Neue Technologien machen häufig Angst, gerade wenn man mit einer alten sehr vertraut, vielleicht sogar ein echtes Talent in ihr ist. Aber man gewöhnt sich. Anfangs war es üblich, E-Mails auszudrucken, und heute? Man kann also seine Angewohnheiten ändern. Auch wenn das Alte noch so gut geklappt hat.

Zurück zur Geschichte: Nike hat Upload your Jog kreieren lassen. Wenn man der Seite glaubt, die größte Läufercommunity der Welt, die einen intelligenten Laufschuh nutzt, um eigene Laufprofile ins Internet zu stellen. Es entstehen Geschichten, Menschen tauschen sich aus, werden Teil einer großen Gemeinschaft. Und haben Spaß mit der Marke, das kommt auch noch dazu. Das Sammeln von Daten (Data) erlaubt es, Geschichten sichtbar werden zu lassen, die sonst im Verborgenen blieben.

Jeder darf mitmachen! Jeder darf das Alpha-Tier werden, der Anführer. Alles was man braucht, ist die Möglichkeit, seine Meinung zu veröffentlichen. Wie bekommt man die Leute dazu? Man muss ihnen zuhören. Den Bloggern zum Beispiel. Den Communities, in Foren. Dell hat sich das zu Nutze gemacht, mit dem Ideensturm. My Starbucks macht Ähnliches. Das Anbieten von Desktop Widgets hilft natürlich, diese Möglichkeiten leicht zugänglich zu machen. Branded Communities sind zur Zeit das Ding. In Deutschland kennt man sie von Frauenmagazinen aber auch von alkoholischen Drinks.

Das Ganze sollte ein Geben und Nehmen sein: Was man von den Usern bekommt, muss man ihnen auch zurückgeben. In welcher Form auch immer. Und damit sie es weitergeben können, muss der Webauftritt der Firma sich leicht verbreiten lassen. Und sie muss das über viele verschiedene Kanäle mitteilen. Zum Beispiel über Banner, Fachmagazine/-sites, Flugzeugfernsehen, Mobiltelefone…

Teile und lass verteilen! Kooperiere mit deinen Kunden! Kunde = Alpha = Entscheider

Warum Beta-Versionen?

Die „Halbwertzeiten“ eines Webauftritts werden immer kürzer. Immer schneller kommen neue Sites auf den Markt, gibt es neue Kanäle, auf denen man etwas wirklich Cooles machen kann. Darum haben wir keine Zeit, eine neue Webversion bis zur Perfektion zu bringen. Das ist viel zu langsam, da wird man zehn Mal überholt. Die Lösung lautet: Beta. Es gibt keinen Grund, eine Site nicht im Beta-Stadium herauszubringen. Es schützt sogar davor, ausgelacht zu werden, weil nicht alles perfekt ist. Stattdessen holt man die User mit ins Boot und bittet sie um Tipps. Große Ideen stammen oft aus der Gruppe, aus dem täglichen Leben. Außerdem ist dieser Weg der Beste, um seine Kunden ernstzunehmen. Sie lieben einen dafür.

Das alles ist natürlich nicht ohne Risiko:
Die Dada-Mix-Ergebnisse muss man nicht mögen. Das macht einem vielleicht Angst. Aber man sollte sich immer darüber bewusst sein, dass ein Image nicht kontrolliert werden kann. Die Außenwirkung kann man nur beeinflussen.

Im Silikon-Valley sei es so, sagt JP: Wer dort keine Fehler macht, kommt nicht nach oben. Niemand bekommt dort Geld, der nicht ein oder zwei Projekte in den Sand gesetzt hat. Denn nur wer das tut und weitermacht, ist bereit Risiken einzugehen und so auch ganz nach oben zu kommen.

21. Mai 2008 von Britta Freith
Kategorien: Marketing, Medien, PR | Schlagwörter: , , , | 2 Kommentare

Kommentare (2)

  1. Jeder darf mitmachen!
    Ich bin irgendwie erschrocken über diese neue Web 2.0 Mentalität: Bringe dich ein, arbeite kräftig mit, aber erwarte keinen Lohn. Und ich bezweifle immer mehr, ob es wirklich ein Geben und Nehmen ist. Meistens ist es ein Geben, das Nehmen erledigen dann die Anderen (Initiatoren, Datensammler, Patentauswerter …)

    Immer mehr Plattformen schießen aus dem Internetboden, bei denen man seine innovativen Ideen und Konzepte einbringen und auch Preise gewinnen kann. Beispiel: »Erfinde den Ersatz des Reissverschlusses!« Gewinn: eine Outdoorjacke! — Noch Fragen?

  2. Oh, ich finde schon, dass es da große Unterschiede gibt! Umsonst qualifizierte Ideen zu liefern, die meinen eigenen Berufsstand unterminieren, geht gar nicht, finde ich – sieht man ja auch an meinem gemäßigten Wutanfall über Trigami.

    Allerdings finde ich es enorm wertvoll, Ideen der User zu nutzen, die freiwillig geliefert werden. Die daraus entstehen, das Menschen ein Produkt wirklich mögen, sich hineindenken und finden „Och, das könnte man doch besser machen!“

    Solche Ideen sind ja nicht immer mit Gewinnstreben verbunden. Wenn ich nun fände, dass in Gurkengläsern ein Aufzug fehlt, so wie ihn die französische Marke Maillé bietet (Siehe Was mir fehlt von Arte), würde ich das Kühne vielleicht einfach schreiben und nicht im Traum daran denken, dafür Geld zu verlangen.

    Und darum geht es hier, denke ich. Man kann auch eigenes Wissen abgeben, das steigert nur das eigene Potential. Da bin ich mir sehr sicher 🙂