Mein erstes Auto

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Daniela Dreuth erzählt von ihrem ersten Auto und fragt nach, ob andere auch etwas erzählen. Spontane Blogbeiträge sind meins und da mir vor einigen Tagen ein Bild von meinem ersten in die Hände fiel, hier die Geschichte dazu:

Ich hatte mein erstes Auto spät, da war ich schon Anfang dreißig. Vorher war ich beruflich mit Firmenwagen von Radiosendern unterwegs, und privat brauchte ich keinen für mich. Dann aber doch ganz plötzlich, weil ich eine freie Stelle bekam, für die ein eigener Wagen ein Muss war. Kurzerhand habe ich mir für 1500 Mark einen grauen Opel Corsa gekauft. Von einem Polizisten, der aber kein Polizist mehr sein wollte, sondern als Koch irgendwo in der Südsee angeheuert hatte. Zwei Stunden vor Ablegen seines Schiffes wurde er den Wagen an mich los. Ich fuhr ihn im Parkhaus Probe, das Teil war ja schon abgemeldet, und auch Ex-Polizisten fahren nicht ohne Kennzeichen.

Als der kleine Graue dann ein Kennzeichen hatte und unter meinem Fenster stand, wurde er sofort nachts geklaut. Das war ein bisschen blöd, weil ich bei der neuen Arbeitstelle gleich sagen konnte, dass es doch nichts ist mit dem eigenen Auto. Ich fuhr also eine Woche lang Bus, jeden Tag 3 Stunden. Das war vielleicht doof! Aber ein zweiter Wagen war so schnell nicht drin. Zum Glück tauchte der Opel eine Woche später wieder auf: Die Polizei fand ihn am anderen Ende der Stadt in einem Gewerbegebiet. Ein Typ wohnte darin. Seine Frau hatte ihn rausgeschmissen und dann hatte er kurzerhand mein leichtknackbares Auto als Hotel genommen. Offenbar nicht der koscherste Geselle. Ich habe ihn dann auch rausgeworfen.

Der Wagen war also wieder da, mit einem gestochenen Schloss, kurzgeschlossen und das Lenkradschloss war auch hinüber. Ich weiß nicht mehr, ob ich das Fahrertürschloss habe auswechseln lassen – vermutlich, der Wagen sah ja so schon alt und unseriös genug aus und damals gab es noch mehr autosuchende Cruiser in Hamburg als heute. Ich wollte schon, dass mein Fahrzeug morgens vor der Haustür steht. Außerdem hatte ich inzwischen diesen wunderbar alten Dachgepräckträger geschenkt bekommen, den ich auch nie wieder abmontierte, weil ich mühsam versuchte, aus der Schüssel wenigstens ein Kultfahrzeug zu machen. Es gelang optisch nur mäßig, aber vom Charakter her war es ein sehr feines Auto!

Er hatte auch noch nicht viel runter, 35-50.000, vor dem künftigen Südseekoch hatte ihn ein Opa gefahren. Beste Autos von Welt. Man kann viel selbst machen oder man kann Menschen kennenlernen, die einem dabei helfen. Mit meinem kleinen Opel lernte ich, dass „Man kann den Unterboden noch schweißen.“ ein Anmachspruch ist. Und ich lernte, WAS man alles unter einen Wagen schweißen kann, wie das geht und wie man die Bremsen repariert. Diese Ausbildung blieb leider unvollendet, weil sich mein Ausbilder ernsthaft verliebte und seine neue Freundin es nicht so schön fand, wenn er mit anderen Damen unterm Auto lag – auch, wenn sie wirklich ausschließlich einen Unterboden schweißen wollten.

Großflächige Schäden und der Mangel an neuen Schweißaspiranten gaben dem Wagen schließlich den Rest. Ich rief eine der Nummern an, die auf den eingsteckten Kärtchen entlang der Scheiben standen. Falls ihr irgendwo in Afrika auf einen grauen Opel mit einem Koi-Aufkleber trefft: Das war meiner.

(Kenner werden bemerken, dass auf dem Foto gar kein alter Dachgepäckträger zu sehen ist. Stimmt! Ich erinnere mich jetzt, dass ich das ausziehbare Faltding doch abnahm, als ich einen Fahrradträger bekam.)

25. November 2016 von Britta Freith
Kategorien: Selbstdarstellung | 2 Kommentare

Irland: 5 Reisetipps


Seitdem ich Anfang der 90er in Irland studiert habe, bin ich der Insel verfallen. Ich liebe den besonderen englischen Singsang, die freundlichen Menschen, die Küsten, die Alltagskultur. Und ich klettere auch ganz gern mal in Ruinen herum. Davon gibt es in Irland reichlich.

Als Sabine Olschner von Ferngeweht zu Ihrer großartigen Blogparade Stadt, Land, Fluss aufrief, habe ich mir den Buchstaben I und das richtige Land gegriffen: Irland. Hier nun 5 Tipps für die wunderbare Insel.

Sei dankbar, das sind genau die Tipps, die du hier kriegst, keine anderen. Hättest du hier nicht gelesen, hättest du sie nicht. Danke Gott und füg dich in dein Schicksal. Sei ein bisschen irisch!

Regenbogen

Das Wetter

„I haven’t seen the sun for weeks“ ist ein gängiger Gesprächseinstieg. Ab spätestens 22°C ist es „too hot“. Wenn die Wolken 5 Minuten die Sonne freigeben, gilt es als ein Tag mit „blazing sunshine“. Regenpausen werden schnell dazu genutzt, das Haus zu streichen.
„A mild day“ ist ganz schön – manchmal hört der „drizzle“, der Nieselregen, an diesen Tagen auch ein bisschen auf. Für die Liebhaber von Romantik: Irland ist vermutlich das einzige europäische Land mit Regenbogengarantie.

Auf der Straße

Iren sind ungemein erfindungsreich. Nicht immmer erreicht die Technik Marktreife, aber auf Ideen wie das Recycling von Regenwasser für die Scheibenwaschanlage muss man erstmal kommen:

Ansonsten hilft im irischen Straßenverkehr vorausschauende Höflichkeit. Besonders, falls man mit dem Rechtslenker bei Linksverkehr nicht so klar kommt. Wenn es eng wird und der Platz reicht, hält man möglichst für Entgegenkommende an und lässt sie vorbei.

Ist man langsamer als andere und die Situation erlaubt es, fährt man blinkend nach links und lässt die nachfolgenden Fahrzeuge durch. Achtung auf engen Straßen im Südwesten: Seitlich des Asphalts noch vor Mauer und Hecke ist oft ein schmaler zugewachsener Graben. Wenn man darin landet, muss einen der Trecker herausziehen. Zwar bekommt man so Kontakt, aber das geht auch einfacher.

Auf dem Land werden Entgegenkommende (fahrend wie gehend) mit Fingerheben gegrüßt.

Kreisel wurden in den vergangenen zehn Jahren inflationär gebaut, funktionieren aber anders als anderswo und es ist möglich, dass die Iren sie nicht kapiert haben. Im Zweifel links halten und damit rechnen, dass jemand an Ausfahrten von rechts querschießt.

großer Autobus auf enger Strasse

Tiere

Nutztiere haben einen gewissen Freibrief. In einsameren Gegenden im Nordwesten dürfen insbesondere Schafe alles. Da sie nicht eingezäunt sind, springen sie unverhofft vor Autos.

4 Schafe auf der Wiese

Ein irischer Freund erzählt gern die Geschichte des Bauern, der eine Ziege dressierte, sich vor Autos zu werfen. Der Bauer kassierte daraufhin Entschädigung bzw. Schmerzensgeld für die Ziege.

Ich selbst erinnere mich an den Tag, als eine Herde Kühe da entlang wollte, wo unser Auto schon stand, die Tiere in Panik gerieten und die Kühlerhaube zerdellten. In so einem Fall sprechen Iren von Glück, schließlich ist die Windschutzscheibe heilgeblieben.

Eine andere Form von Glück sind die vielen Touristen, die tatsächlich älteren Männern in altmodischer Kleidung mit einem Esel am Strick Geld für ein Foto geben. Es ist nicht wirklich klar, warum die Touristen das begeistert tun, aber es ist doch auch egal, oder? Another Pint, Fergus!

Die Wahrheit

Nichts geht über eine gute Geschichte. Die erzählt man, um Lacher zu ernten oder um anderen nach dem Mund zu reden. Das Leben ist schon schlimm genug, das wissen wir auch so. Hier eine typische Erzählung über ein Haus, das zum Verkauf steht. Es lohnt sich, bis zum Ende zuzuhören, wenn man wirklich überlegt, etwas in Irland zu kaufen.

„Ein schönes Haus, ich sage Ihnen. So ein schönes Haus. Matt hat gern da gewohnt. Drei Jahre hat er da gewohnt. Viel Platz hatte er. Und schön geschützt liegt es. Da unten in der Senke. Die Büsche darum sind hoch, da kommt der Wind nicht rein. Wird auch nicht zu heiß, die Sonne bleibt draußen. Ich sehe schon, Sie können gut fahren, dass Sie da hingekommen sind. Da kommt nicht jeder hin. Manche finden’s gar nicht erst. Und wenn Sie dann unten sind, kommen Sie nicht wieder rauf. Ist ja auch ziemlich steil. Ich habe manchen schon mit dem Trecker geholt. Und wissen Sie was? Im Winter ist es wahnsinnig schön, dann kommt der Regen und schießt den Steilhang runter und sie stehen unten am Haus und es ist wie ein Wasserfall. Da ist gut, wenn Sie ein bisschen Vorräte im Haus haben. Der Kamin zieht ja auch anständig, also, wenn Sie dann genug trockenes Brennholz haben… Matt war es dann irgendwann zu einsam, der ist wieder nach England. Wirklich, sehr schönes Haus.“

… und das Sterben

Man kann alles beschönigen, nur den Tod nicht. Die Iren wissen das. In Irland wurde früher sehr viel gestorben, es war ein armes Land. Schon Kinder waren vertraut mit Totenwachen und Trauerfeiern. Heute noch wird ein Dorf abgesperrt, wenn ein Leichenzug hindurchkommt. Die Läden machen zu, die Kneipen pausieren, alle stehen draußen und senken den Kopf. Danach ist wieder Business as Usual.

Bei meinem letzten Irlandurlaub traf ich Seamus, 87, in einem B&B. Er war zurück nach Sligo gekommen, weil zwei Schwestern von ihm kurz nacheinander gestorben waren. Er erzählte der Landlady davon, eine tragische Geschichte. Während in Deutschland alle lange betroffen geschwiegen hätten, haute die Landlady ihm auf die Schulter und meinte: „Ye can’t do anything about it, that’s life. Another tea, Seamus?“ – „Yeah, that’s how it is now. Gimme another cuppa, thank you love.“

Marienstatue in H

17. August 2016 von Britta Freith
Kategorien: Reisen | 5 Kommentare

Snapchat: Weil ich’s mag!


Das erste Mal hörte ich von Snapchat kurz nach dem Start, also vor gut 4 Jahren. Ich habe die Idee sofort geliebt: Man macht ein Foto und verschickt es an einen ausgewählten Kreis von Menschen. Nachdem sie es angeguckt haben, ist es weg. WEG! Das ist herrlich. Das ist über Distanz wie das wirkliche Leben. Ich sehe etwas, freue mich, ärgere mich – und dann ist es wieder weg. Eine Übertragung des Alltags, des Moments, der trotz des digitalen Mittels Moment bleibt, weil er nicht wiederholbar ist.

Was für eine Erleichterung! Niemand zieht Jahre später ein Foto hervor und zeigt mir, wie schlecht meine Haare saßen oder dass ich damals einen Fleck auf dem Hemd hatte. Denn er kann sich auch nur an den Moment erinnern, wenn er ihm wichtig genug war. Sonst ist er auch aus seinem Kopf verschwunden.

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Damals bin ich nicht zu Snapchat gegangen, weil sowieso niemand da war, den ich kannte. Da man bei Snapchat nur von Leuten gefunden wird, die einen kennen, wusste ich nicht, was ich da sollte. Bis heute nervt es mich übrigens, dass Snapchat keine offene Such- und Kontaktfunktion hat. Es läuft über Empfehlungen, Fragen, Suchen, Werben in anderen Netzwerken. Einen Kommentar direkt zu einem bestimmten Snap kann man nur schicken, wenn der andere einem zurückfolgt. Sonst bleibt nur die allgemeine Nachricht. Das gefällt mir nicht.

Vieles andere aber gefällt mir. Snapchat bietet neben den Fotos die (für mich viel wichtigeren) Videos von bis zu 18 Sekunden Länge. Es besteht die Möglichkeit, Bildchen, Schriften und Selbstgekritzeltes einzublenden, Musik unterzulegen oder Filter drüber. Wobei Gesichtsfilter mit Fuchsohren, Blumenkronen oder Totenschädeln mich schnell anöden. Ich bevorzuge Geschichten, Storys, wenn die Leute etwas erzählen. Gesichtsfilter haben allerdings einen Vorteil nach langen Nächten, ich gebe es zu.

Snapchat ist idealerweise schnell. (Tipp: Man kann einstellen, wie lange ein Foto steht! Wenn nichts passiert, reichen 3 Sekunden statt 10.) Fotos und Filme können so sehr rasant und witzig zusammengeschnitten werden. Das passiert aber alles nicht editierbar. Es ist also nicht möglich, hinterher den Film zu schneiden oder ein fertiges Bild hochzustellen. Dazu müsste man abfotografieren und abfilmen. Snapchatfremde Ergänzungen, die das ermöglichen, werden in der Regel nicht zugelassen bzw. der eigene Account wird gesperrt.

Wenn ich also Musik drunterlege, muss ich sie bei der Aufnahme laufen lassen. Entweder arbeite ich dann ganz präzise (Zeitfaktor!) oder es ist ein bisschen schreddelig. Alles ist ein bisschen schreddelig, außer man hat schon lange Erfahrung. Ich übe noch, aber es bringt mir riesigen Spaß. Bei Juli vom Heimatpott oder bei Richard Gutjahr (richardgutjahr) kann man sehen, wie es überlegter geht. Andere gefallen mir gerade deswegen, weil sie nicht so viel überlegen. Anna Aridzanjan (textautomat) berichtet gerade einfach so aus Armenien, und das ist spannend, weil ich Dinge sehe, die ich sonst nie sehen würde. Thomas Schwenke (thschwenke) hat Pombel den Pinguin dabei und erklärt Jura. Informativ und schreddelig zugleich, guck ich richtig gern.

Deswegen können die sogenannten Livekanäle auch sehr spannend sein. Ich war auf einem Quidditchturnier in der USA und auf dem Mount Everest – alles gesnappt. Ist natürlich zeitaufwändig, sich das anzugucken. Es gibt keine Übersicht, keine Teaser, man weiß nicht, was kommt. Vorteil: Man kann weiterklicken, wenn einen etwas nicht interessiert. Auch in den persönlichen Accounts. Das mache ich auch.

Die Zeit… Ja, Snapchat kostet Zeit. Besonders, wenn man Snaps mehrfach anfängt, damit sie perfekt werden. Man muss auch damit rechnen, das Leute einen doof anstarren, weil man mit dem Handy am ausgestreckten Arm quasselnd durch die Gegend rennt. Freunde finden es nicht ungebremst toll, wenn man während Treffen damit beschäftigt ist. Man kann es ja aber auch zusammen machen 🙂 Ist in meiner Altersklasse häufig schwierig, weil die meisten Menschen in den 40ern eben nicht snapchatten. Hilft nur Überzeugungsarbeit.

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Anzeige von Geotags (zum Ort passende Bilder) oder z.B. Temperatur oder Geschwindigkeit durch Wischen des Bildschirms.

 

In anderen Ländern hat Snapchat einen deutlichen Vorsprung, und im Urlaub in Irland habe ich herausbekommen, woran das liegt: Es gibt dort überall freies WLan! Neben mir am Tisch snapchatteten Leute unverblümt. Das war toll. Denn neben Zeit frisst Snapchat Akku und MB in sehr großen Stücken. Da ist es schon fein, wenn man nicht übers Datenvolumen rein muss.

Wie Snapchat aussieht? Für die, die es noch nicht haben, hier ein Beispiel aus dem Garten. Nicht nachbearbeitet, nur auf 50 MB geschrumpft. Durch das Herunterladen sind allerdings Ton und Bild nicht mehr ganz synchron. Keine Ahnung, woran das liegt.

Wie, das kann man doch speichern? Ja, kann man. Außer Zuckerwatte und das Leben kann man so gut wie alles speichern.  Aber das war klar, oder?


Dieser Film setzt sich aus 25 Snaps zusammen.

 

09. Juni 2016 von Britta Freith
Kategorien: Arbeitsalltag, Garten, Lernen, Medien, Podcast | 2 Kommentare

Lasst uns alle Eltern werden

Vor einiger Zeit kam ich in eine Flüchtlingsunterkunft und wurde fast von einem fliegenden Mülleimer erschlagen. Es war sehr kalt, der Boden war gefroren, und ein junger Mann, barfuss, in Schlafanzugshose und T-Shirt schleuderte den Metallkorb laut schreiend: „Call the police, call the police!“. Eine größere Menge hatte sich versammelt: Bewohner und Security, aber es war kein Herankommen. So ein großes mögliches Geschoss ist eine beeindruckende Waffe.

Natürlich nahm ich Deckung, ich bin ja nicht lebensmüde. Doch tatsächlich hätte ich den jungen Mann am liebsten in den Arm genommen, denn ich habe seine Augen gesehen. In ihnen wohnten Angst, Einsamkeit, Verzweiflung. Er wusste nicht, was er tun sollte. Er war allein. Das letzte Mal hatte ich diesen Blick bei einem kleinen Kind gesehen, dass seine Meinung nicht Erwachsenen gegenüber vertreten konnte, sich stattdessen für einen verzweifelten Wutanfall entschied (bei dem einiges zu Bruch ging) und dann von seiner Mutter endlich nach langem Weinen beruhigt werden konnte. Weil manchmal einzig hilft, in den Arm genommen und so lange gewiegt zu werden, bis alles wieder gut ist.

Es waren dann Mitbewohner und Security, die den jungen Mann beruhigten, vielleicht wurde auch die Polizei gerufen. Später erfuhr ich, dass ihm das Handy gestohlen worden war, eins der wichtigsten Besitztümer auf der Flucht. Wie die Geschichte letztlich ausging, weiß ich nicht, auch nicht mehr über den Mann, aber diese Augen …

Ich habe selbst Kinder, nicht viel jünger als er. Manchmal reisen auch sie ins Ausland, zum Glück zum Vergnügen. Doch wenn sie in Not gerieten, wünschte ich mir, dass jemand da wäre. Jemand, zu dem sie gehen können, wenn die seelische Not, die Angst, der Kummer, so groß sind, dass sie nicht mehr wissen, wohin mit sich. Dass sie reden könnten, dass jemand unkompliziert hilft oder sie einfach in den Arm nimmt. Dass Menschlichkeit sie auf ihrem Weg begleitet.

In den vergangenen Monaten haben bei mir zu Hause junge und ältere Männer gesessen, deren Mütter tausende Kilometer entfernt sind. Die Frauen sind vielleicht so alt wie ich, vielleicht älter. Sie steigen nachts aufs Dach und flüstern, damit die Nachbarn nicht hören, dass sie mit ihren geflüchteten Söhnen in einem fernen Land telefonieren. Sie beten für die Fremden, die ihrem Kind helfen. Und sie beten natürlich auch für ihren Sohn, der gerade am anderen Ende des Telefons versucht, nicht vor meinen Augen in Tränen zu zerfließen.

Ich weiß von Männern, die weinen nachts in ihren Stockbetten irgendwo in Deutschland nach ihrer Mutter. Die haben Angst, ihren Vater nie wieder zu sehen. Die zeigen Fotos von Nichten und Neffen, von kleinen Geschwistern, die sie so gern im Arm halten würden. Einige tun auch gar nichts mehr, sie starren einfach Tage in ihr Handy und gehen gerade mal zum Essen. Wären sie hier in Deutschland aufgewachsen, hätten sie jetzt ihr Studium angefangen, würden den Bachelor machen oder die Ausbildung zuende. Nun sitzen sie in einem fremden Land, wissen nicht so recht, was kommt, außer dass sie überleben sollen, und warten: auf das nächste Telefongespräch, die nächste Entscheidung. Dass vielleicht doch etwas Schönes passiert – etwas wirklich Schönes, etwas Persönliches, bei dem genau sie gemeint sind.

Alle, die Kinder haben, Nichten und Neffen, oder die sich auch nur Mühe geben, dieses Alter zu erinnern, wissen doch, wie es mit knapp über 20 ist: Einem steht die Welt offen, man kann alles machen und gleichzeitig auch noch nicht so viel. Viel klappt, aber vieles kann man gar nicht. Und dann hinausgewirbelt in ein fremdes Land, andere Sitten, seltsames Essen. Mit Familienanschluss wie bei einem Schüleraustausch ist das machbar, ganz allein in einer Flüchtlingsunterkunft ist es eine seelische Zumutung.

Dazu kommt das Warten, das ewige Warten: 21 ist der junge Mann, könnte alles tun, sitzt aber zur relativen Tatenlosigkeit verdammt mindestens 6 Monate lang in einem Container. Wenn er sehr viel innere Kraft hat, lernt er vielleicht durchgehend Deutsch. Es gibt solche, bewundernswert. In meinen Augen ist es weder Wunder noch Schande, wenn er die Kraft dazu nicht findet.

Deshalb, finde ich, sind wir alle gefragt. Und wenn wir nur ein bisschen Zeit haben, wir sollten sie diesen jungen Menschen spenden. Versuchen, ihnen irgendwie zuzuhören, und sei es übers Fotoanschauen. Vielleicht ein Tee, vielleicht ein Ausflug. Irgendetwas, aber Kontakt. Gasteltern sein, obwohl uns keine Austauschorganisation darum gebeten hat. Einfach aus unserer persönlichen Verantwortung heraus. Weil jedes Kind verdient hat, dass jemand ihm Halt gibt. Auch, wenn es gerade erwachsen geworden ist.

12. April 2016 von Britta Freith
Kategorien: Ankommen, Flüchtlinge | 3 Kommentare

Kleines Gartenwunder im März

Lange hatte ich nicht mehr so eine Lust, im Garten zu arbeiten, wie im Augenblick. Vergangenes Jahr hat der Garten ziemlich unter meiner Arbeitslast gelitten – nur das Unkraut hat sich gefreut. Das soll jetzt anders werden. Rechts im Bild seht ihr schon ein frühes Beet, auf dem der bunte Pflücksalat unter Vlies keimen darf. Und links habe ich heute durchgehackt. Der Boden ist ohnehin lehmig, im Augenblick ist er auch noch regenschwer. Der Hahnenfuß fand’s gut, besonders, nachdem die Erdbeeren ausgezogen waren und das Beet brach lag. Quecke, Gräser und Fingerhut teilten sich den Rest.

Leeres Beet, frisch bearbeitet

Also habe ich heute eine Regenpause genutzt und eine halbe Stunde gehackt, gewühlt, rausgezogen. Hier Eimer zwei. Leider klebt die Erde sehr an den Wurzelballen, aber das ist nun einmal so. Aber dann hing plötzlich etwas ganz anderes an meiner Hacke, und ich war echt erstaunt: eine faustgroße, formschöne Kartoffel!

Eimer voll Unkraut

Erst dachte ich, es wären zwei oder drei, und ich wollte sie mir gleich als Belohnung in den Topf hauen. Aber nein! Es waren so viele, dass ein ganzes Sieb voll wurde. Und richtig dicke Dinger dabei, alle perfekt. Und ein Eichhörnchengeschenk, das gerade am Keimen war. (Gefunden?) Milde Winter haben also etwas für sich.

Sieb mit gewaschenen Kartoffeln

Ich bin mir sicher, dass auf dem Beet vergangenes Jahr Erdbeeren standen. Ok, Erdbeeren setze ich nach Kartoffeln, die da vielleicht im Vorjahr waren. Aber dass diese Kartoffeln dermaßen ausdauernd sind, hätte ich nicht gedacht. Vermutlich sind es Orla, eine irische Kartoffel mit sehr hoher Resistenz gegen Krautfäule und Schorf. Das hat die Sorte hiermit wohl gut bewiesen.
Nun überlege ich noch, was ich mit dem Beet mache. Kartoffeln fallen flach. Vielleicht Puffbohnen? Die mag ich, aber der Ertrag ist nicht so dolle. Erbsen? Die jedenfalls waren an der Stelle schon länger nicht mehr.

30. März 2016 von Britta Freith
Kategorien: Garten | 2 Kommentare

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