Der Sprung der Schüssel

Es gibt Zeiten, da fließt es nur so. In anderen geraten Dinge ins Stocken. So lange sich die Zeiten für eine Variante entscheiden, ist alles gut. Es ist zwar nicht schön, wenn alles schief geht, aber man weiß, woran man ist. Es ist klar, dass man auf dem Weg zur Bahn in die Hundescheiße tritt, dass der Fahrradlenker abbricht, wenn man gerade über die Kreuzung rast, oder der Zylinderkopf nachgibt, wenn man zum Geschäftstermin in AufdemLandundinderPampa muss. Darauf kann man sich immerhin einstellen, indem man genug Geld für Taxi, Schuhputzer und Schnellreinigung in der Tasche hat.

In guten Zeiten dagegen kann man sicher sein, dass Telefonanrufer nur die Erbschaft von der unbekannten Tante Klara oder den Großauftrag verkünden. Morgens stecken unbestellte Zeitungsabos im Briefkasten, die Nachbarin bringt die Reste vom Luxusbuffet zum 50., weil sie allein nicht alles aufessen kann. Sollte in dieser Zeit der Geschirrspüler kaputt gehen, gewinnt man den nächsten bei einem Preisausschreiben. Die Glückssträhne organisiert das Leben perfekt – und das ist gut so.

Aber was zum Kuckuck mache ich mit Phasen, in denen sich die Zeiten nicht entscheiden können, ob sie gut oder schlecht sind? In denen ich mich absolut wohlig fühle, im Grunde alles gut läuft, aber sobald ich einen Schrank öffne, springen mich meine Schüsseln an? Keine Lüge! Es gibt Monate in meinem Leben, da muss ich nur eine beliebige Tür öffnen und Dinge fallen heraus. Ein Satz geliebter 50er-Jahre Schüsseln, unwiederbringlich perdu. Olivenölflaschen breiten ihre Inhalte feingemischt mit dem Glasfeinstaub der Splitter in meinen Fliesenritzen aus. Die Wohnung knirscht, weil überall Reste von Bordeaux-Gläsern herumkrümeln. Die Kaffeetasse springt, obwohl gänzlich allein auf dem Tisch, plötzlich auf den Haufen Steuerunterlagen, die friedlich neben dem Stuhl vor sich hinstapelten.

In diesen Zeiten muss ich mein Leben überdenken. Ausmisten, neu anfangen. Berge von Papiermüll und Akten aus der Wohnung schleppen. Entliehene Bücher zurückschicken. Überlegen, ob noch Rechnungen offen sind. Und die Kleiderschränke durchforsten: alles, was ich ein Jahr lang nicht getragen habe, kommt weg.

Danach habe ich Platz. Ich schichte die Ölflaschen in den Kleiderschrank, verfrachte die Strumpfschublade ins Bücherregal, räume die Bücher in den mittlerweile leeren Weinglasschrank. Dann besorge ich mir Umzugskartons, weil die Wohnung jetzt tatsächlich unmöglich ist. Manchmal muss man eben Fakten schaffen, die auch der innere Schweinehund nicht mehr widerlegen kann!

05. Mai 2009 von Britta Freith
Kategorien: Lernen, Selbstdarstellung | Schlagwörter: | 1 Kommentar

1 Kommentar

  1. Plastikgeschirr besorgen? Papierkleidung? Statt Inhalten ganze Schränke entsorgen und der Tugend des leeren Flats frönen?
    Oder dafür sorgen, dass das Leben sich immer so oder so entscheidet… 😉

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