Alles gut. (Echt jetzt.)

Bewusst fiel es mir das erste Mal auf, als einer meiner beiden Lieblingsprogrammierer es sagte: „Alles gut.“ Ich hatte eine Frage, ein Problem, keine Lösung, aber er hatte sie. Also war ja auch alles klar mit seiner Aussage: „Alles gut.“ Ich fühlte mich angenommen, verstanden, bestens betreut. Ich lernte: Wenn ich bei diesem Lieblinsprogrammierer anrufe, wird einfach alles gut. Das ist doch wirklich total gut!!

Dann sagte es mein Sohn, ich stolperte erst nicht darüber. Ich wollte wissen, wie sein Tag war, ob’s nochmal Ärger in der Schule gab. „Alles gut.“ Na, ein Glück.

Ein leichtes Störgefühl entstand, als ich mich selbst „Alles gut.“, sagen hörte. Ich weiß gar nicht mehr, warum. Plötzlich sagte ich es zu meinen Kunden, zu Freunden, die sich nach etwas erkundigten, als Entgegnung, wenn jemand sich entschuldigte. „Alles gut.“ Auf einmal fand ich das gar nicht mehr so gut.

Ich versuchte, mich bewusst dieser Phrase zu entledigen. Dieser netten zwei dahingefreundlichten Wörter. Es gelang mir nicht. Sie schlüpften immer wieder raus. Sind ja auch schnell gesagt. Vielleicht sind sie deswegen so erfolgreich? Oder steckt eine Fernsehserie dahinter, ein TV-Moderator? Da wir in unserem Haushalt so gut wie nie Fernsehen gucken, kann ich das nicht wissen.

Der nächste war mein Freund – der natürlich gar nicht verstand, warum ich bei „Alles gut.“ anfing mit den Zähnen zu knirschen. Jetzt fällt es ihm auch auf und er versucht, es nicht mehr zu sagen. Bekommt er aber nicht hin. Was für eine Seuche!

Kleiner Exkurs: Ich hasse übrigens dieses Zitat: „„Am Ende wird alles gut. Wenn es nicht gut ist, ist es noch nicht das Ende.“ Das ist totaler Mist, denn sagt das mal einem Kriegsopfer. Danke, bitte vielmals. (Ich bin mir übrigens gar nicht sicher, ob dieses Zitat tatsächlich von Oscar Wilde ist – im Internet wenigstens gibt es deswegen viel Gerate. Vielleicht schlaut mich mal jemand mit wirklichem Wissen auf.)

Der zweite meiner beiden Lieblingsprogrammierer hatte dann vor ein paar Tagen eine Erklärung: Es seien gerade alle sehr im Stress. Alle steckten bis im Hals in Arbeit, wüssten gar nicht mehr, wann sie was machen sollen. Da sei es eben wie ein Mantra. Ein wohltuender Balsam. Alles gut.
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Kurz recherchiert: Sowohl Susanne Arndt in der Brigitte als auch Meike Winnemuth im Stern haben sich schon mit diesem seltsamen Phänomen beschäftigt, das häufig auch in Frageform auftritt. Und in Oehringen gibt es ein Chinarestaurant, das so heißt.

04. Mai 2014 von Britta Freith
Kategorien: Stilkritik | 2 Kommentare

Kommentare (2)

  1. Och, so nervig finde ich die Phrase gar nicht. Eigentlich sogar sehr nützlich: um nämlich lange Entschuldigungs-, Beteuerungs- oder Rechtfertigungsarien abzukürzen. Aber stimmt – sie tauchte irgendwann auf, und plötzlich ist sie überall.

  2. Pingback: “Hallo, ich bin neu hier!” (#rp14) | Kaiserinnenreich

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