Ich lese ja gerade Gantenbein

Zum ersten Mal habe ich „Mein Name sei Gantenbein“ mit 15 gelesen. Eine Ausgabe, die meinem Vater für erfolgreiche gewerkschaftliche Tätigkeiten verliehen wurde. Ich nehme an, er selbst hat das Buch höchstens angelesen. Inzwischen steht es bei mir im Regal, schutzumschlaglos, aber geliebt, denn es war meine erste wirkliche Erfahrung mit moderner deutschsprachiger Literatur. Ein zweites Mal gelesen habe ich das Buch allerdings nicht. Ich hatte es ja in mich aufgesogen, kann immer noch Passagen zitieren.

Schon seit zwei, drei Jahren allerdings ist das Bedürfnis gestiegen, wieder in den Frisch hineinzugucken. Auch um zu überprüfen, ob ich als Fünfzehnjährige den Mann, der Geschichten anzieht wie Kleider, wirklich verstanden hatte. Anfang Februar dann habe ich mir das Buch endlich gegriffen, lese es jetzt aber nebenbei, im Abstand von Tagen, ja Wochen, hin und wieder mal zehn, zwanzig Seiten. Es ist, als träfe ich einen alten Freund wieder, so vertraut ist es.

Einer der Stze des Buches ist mir besonders nah – seit 24 Jahren eine Art Motto:

Indem ich Gespräche erfinde, die ohne mich stattfinden, laufe ich
Gefahr, Menschen zu fürchten oder zu achten oder zu
lieben, je nachdem wie sie in meiner Einbildung reden,
wenn ich nicht zugegen bin.

Davor habe ich mich immer gehütet.

14. März 2009 von Britta Freith
Kategorien: Stilkritik | Schlagwörter: , | 9 Kommentare

Kommentare (9)

  1. Ach ja, Max Frisch. Genialer Schriftsteller, aber als Mann … nun ja, ich konnte ihm lange nicht verzeihen, was er Ingeborg Bachmann angetan hat…
    Hab ihn lange nicht mehr gelesen. Homo faber, Stiller, danke für die gute Anregung, Britta. Urlaub naht …

  2. Ich bin eine Ignorantin. Ich weiß nicht, was er „Bachmann angetan hat“. Ist mir auch egal. Ich will ja seine Bücher lesen und nicht sein Liebesleben studieren. Ich dachte, Celan habe Bachmann tief verletzt, weil er beziehungsunfähig war, aber deswegen darf ich doch Celan lesen? Frisch und Bachmann also auch? Aha. Ich finde Kästner fantastisch, er war Alkoholiker und auch nicht nett zu Frauen. Coleridge nahm Opium und war mutmaßlich dauerdicht, also hätte ich nie mit ihm zusammengelebt. Trotzdem ist der „Ancient Mariner“ Weltliteratur. Und Julius Cäsar hat eine Menge Menschen umgebracht bzw. ihnen den Tod gebracht, was „de bello gallico“ nicht weniger lesenswert macht.
    Wirklich.

  3. ich bin clean, aber nett zu frauen. kommt bei denen aber nicht besonders an.

  4. @juf
    Mein Tipp: Literatursalons. Vorausgesetzt, du stehst auf die etwas dicklichen, die sich in kunsthandwerkliche Filzprodukte kleiden. Trag die Halbhornbrille, lass die Stirnlocke übers Auge hängen und schreib hin und wieder etwas in ein abgegrabbeltes Notizbuch.

    Vorsicht, Falle: Vom Buffet keinesfalls Fleischprodukte wählen! Gelegentlich etwas von Magenleiden murmeln.

  5. Seltsames Phänomen: Männer, die nicht nett zu Frauen sind, können bemerkenswert oft gut schreiben…

    • Naja, Biggi. Ich kenne einen Haufen grauenhafter Männer, die keine klare Zeile aufs Papier bringen. Und einen Haufen netter Männer, die auch nicht schreiben können. Angesichts der Autoren- und Texterquote in der Bevölkerung liegt die Zahl der gut schreibenden Männer vermutlich im Promillebereich.

  6. Um schon mal einigen möglichen Fragen und Anmerkungen vorzugreifen, hier eine prophylaktische Zusammenfassung:

    – Ich bin sehr nett und hatte in der Schule immer eine Eins in Deutsch. Trotzdem bin ich dreimal geschieden. Jetzt habe ich den Verdacht, dass meine Frauen alle Analphabeten waren.

    – Grundsätzlich würde mich interessieren, warum es mehr erfolgreiche Autoren als Autorinnen gibt.

    – Mir sind Werbeaussagen und Claims ja immer zu männlich.

    – Wär vil denn am Ende wisen, op ich schreim kann, wenn ich es ihr so richtik besorg?

    – Meint ihr, ich kann mit einer guten Schreibe Schweißfüße und Schnarchen kompensieren?

  7. Gutes Zitat. Auch wenn ich Gantenbein nie gelesen habe (trotz Deutsch-LK ;-))

  8. Mich interessiert ja bis heute, warum wir eigentlich in meinem Deutsch LK Flaubert gelesen haben. Absurd.

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