Die Tücke von POS-Maßnahmen
Nicht jede lustige Marketing-Idee ist auch eine gute. Das gilt insbesondere dann, wenn zu viele unberechenbare Faktoren (= unbekannte Menschen) auf sie Einfluss nehmen. Manchmal stirbt die Idee direkt vor Ort, so wie diese Quinoa-Keimlinge.
Dabei hat die Firma Bohlsener Mühle etwas richtig Gutes angestoßen: Sie vertreibt nämlich in Norddeutschland angebauten Bio-Quinoa. Auf der Website steht, was dahinter steckt, wie man ihn selbst anbaut, und gewinnen kann man auch etwas. Dass der Quinoa-Import aus Andenstaaten sehr problematisch ist, wurde hinreichend beschrieben, u.a. hier und hier. Umso schöner, wenn die heimischen Alternativen funktionieren.
Nur diese POS-Idee* funktioniert eben nicht. Vielleicht hätte ich sie mir, gartenbegeistert wie ich bin, zunächst auch so ähnlich ausgedacht. Leider sind die Mitarbeiter des Supermarkts, in dem der Aufsteller platziert wurde, nicht so pflanzenaffin wie ich. Oder sie haben nicht hinreichend Zeit – oder beides. Zwar haben sie die Saat noch ausgesät (wenn das mal nicht der Kundenbetreuer der Bohlsener Mühle selbst war), die Samen wurden auch noch gewässert, aber dann sind die Keimlinge eingegangen. Irgendjemand, das kann man an den feuchten Stellen auf der Erde sehen, hat noch versucht, etwas zu retten, aber die Wassergabe kam zu spät. Und selbst, wenn es Quinoa gerne karg hat: Ganz so so trocken mochte er es dann doch nicht.
Der Text auf der Tafel ist vermutlich vorgegeben – er macht es noch schlimmer: Denn liebevoll gepflegt ist hier nichts, das fällt auch negativ auf den Supermarkt zurück: „Wenn die das als liebevoll bezeichnen, wie gehen sie dann erst mit dem nebenstehenden Gemüse um?“, könnten kritische Kunden denken. Wer ein bisschen Ahnung hat, findet vielleicht noch: „War immerhin so frisch, dass er keimte.“ Aber dieses Fazit ist wohl eher unwahrscheinlich.
Die Bohlsener Mühle hat übrigens einen Pflanzwettbewerb, da kann man seinen fröhlich gewachsenen Quinoa fotografieren und einen Pflanzkasten gewinnen. Auf der Website findet man ihn. Da hätte ich doch die ganze Sache gleich anders angelegt: Verkauf des Quinoas mit deutlich sichtbarem Rezeptvorschlag und zusammen mit einem kleinen Saatset, das auch Kinder anspricht. Erzählen, dass man den Quinoa auch selbst aussäen kann und dazu aufrufen, sein Foto einzuschicken. Wenn es ein Produkt wie Quinoa-Kekse oder Kräcker gibt, auch davon noch eine Probe dazupacken. Im Gegenzug die Idee mit den toten Keimen einstampfen. Zum Beispiel.
Ich habe das schon öfter erlebt: In der Marketingabteilung haben Mitarbeiter eine schöne Idee, die aber unbedingt das Engagement des Verkaufsteams im Supermarkt fordert. Das kann man meistens vergessen. Erstens ist man nicht das einzige Unternehmen, das dort präsentiert. Die Mitarbeiter, die häufig nicht die Ladeninhaber sind, haben kein gesteigertes Interesse daran, ein Produkt zu promoten. Je zeitaufwändiger, desto schlimmer. Häufig sind es anhnungslose Marketingabteilungen, die Flyer, Rezepte, Merchandising-Produkte für die Tonne beauftragen. Alles sehr hübsch, aber oft ist dann das Feedback, dass es in den Märkten nicht genutzt wurde. Hergestellt, ausgeliefert, weggeworfen. Nicht an die Tüte an der Bedientheke getackert, nicht am richtigen Ort ausgelegt, nicht mit einem kurzen Verkaufsgespräch überreicht. In Zeiten des Fachkräftemangels und der Personaleinsparungen findet so etwas bis auf wenige Ausnahmen einfach nicht statt. Daher braucht es Ideen, die mit wenig Aufwand für die Verkäuferinnen in den Märkten quasi wie von allein funktionieren. Und Marketingabteilungen mit Fachwissen, die nicht daran glauben, dass die billigere Variante am Ende die günstigere ist. Ist sie nämlich auch hier wieder einmal nicht.
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*POS = Point of Sale – Verkaufsstandort bzw. Laden
Wow, großartiges Beispiel, wenn auch irgendwie ernüchternd. Denn ich hätte die Kampagne der Bohlsener Mühle auch auf den ersten Blick für eine wirklich gute Idee gehalten.
Da bei mir nicht mal innerfamiliär Sämlinge gegossen werden, würde ich es von Fremden noch weniger erwarten. Das ist ja aber eine persönliche Erfahrung. Der Blick auf mies gepflegte Gartenblumen in vielen konventionellen Supermärkten kann ähnlich ernüchternd sein, übrigens.
Wer kennt nicht das aufwändig gestaltete und produzierte Zweitplatzierungsdisplay im LEH oder in Baumärkten, dass nach weitgehendem Abverkauf mal flugs vom Marktteam mit Fremdware befüllt wird und dann dem Kunden einen etwas wunderlichen Eindruck vermittelt?
Oh ja!