Flüchtlingshilfe: Freiwillige müssen bezahlt werden
Vor einigen Wochen habe ich davor gewarnt, dass die freiwilligen Helfer ermüden werden. Damals wurde mir vorgeworfen, ich würde die gute Stimmung schlechtreden. Warum ich so typisch deutsch nur das Negative sehen würde. Nun ja, ich finde es ganz gut, einen Schritt zurückzutreten und ein größeres Bild zu haben. Manches ist so voraussehbar, weil es so natürlich ist. (ergänzende Fußnote: Und wo bleibt das Positive, Herr Kästner?)
Natürlich haben mittlerweile immer weniger Leute Zeit zum Helfen. Und natürlich wird das Flüchtlingsproblem nicht kleiner. Hannah Vogelsang alias Emma aus Hamburg schickt deswegen einen Hilferuf vom Hauptbahnhof. Hier betreuen Ehrenamtliche seit Wochen rund um die Uhr mit enormem Einsatz ankommende und durchreisende Flüchtlinge. Nur: Es geht nicht mehr so weiter wie bisher. Neue Helfer müssen her.
(Hier war ursprünglich ein Y0utube-Video verlinkt, das viel in den Medien herumgereicht wurde. Die Verfasserin hat ihre Version entfernt, darum verlinke ich jetzt auch nicht mehr auf Kopien dieses Videos.)
Hier ist nicht nur die Stadt Hamburg, sondern auch die Bundesregierung gefragt. Die Regierungen klagen, dass das Personal fehlt, sie sich aber über die Ehrenamtlichen freuen. Falsch gedacht: Die Ehrenamtlichen sind das Personal. Erst, wenn sie so wahrgenommen und auch bezahlt werden, bekommen wir die derzeitige Lage langfristig in den Griff, sorgen für lebenswerte Unterkünfte, Integration und Fortbildung für die Flüchtlinge. Dabei geht es in diesem Fall nicht um eine Steuerermäßigung oder einen Zuschuss für das Ehrenamt. Es muss ein anständiger Einkommensausgleich her.
Es kann doch nicht sein, dass Menschen ihre Jobs sausen lassen, weil sie die menschlichen Tragödien nicht ertragen, aber selbst am Ende nicht mehr genug Verdienst haben. Es kann doch nicht sein, dass Hilfsbereitschaft und Anstand zu Armut und Burnout führen und wir in Deutschland letztlich zwei Probleme haben: Die hoch traumatisierten Neuankömmlinge und völlig kaputte Helfer. Das ist es aber, was passiert – oder die Freiwilligen sagen stopp, helfen nicht mehr, und wir haben ein riesiges Verwahrlosungsproblem unter den Flüchtlingen.
Praktisch kann ich nur vom Kleinen aufs Große schließen: Wären die Ehrenamtlichen nicht, gäbe es in der rund 400 Bewohner starken Unterkunft bei uns in Hamburg-Ohlstedt seit Mitte August nichts außer Zelte und Essen. Keine Kleidung, keine Kinderbetreuung, keinen Deutschunterricht. Hier würden zwischen 300 und 400 Menschen vor sich hin vegetieren, wenn sich die Anwohner nicht kümmern würden. Denn das Nötigste sind nach Auffassung der Vewaltung Bett und Essen – was braucht es denn mehr? Ist doch nur eine Zentrale Erstaufnahme, es soll doch demnächst weiter gehen.
Viele der Zeltbewohner sind nun fast drei Monate hier. Wie wären denn drei Monate ohne frische Kleidung gewesen – abgesehen von ziemlich kalt, nur mit Badelatschen und T-Shirt bekleidet? Wie viele dieser Menschen könnten denn schon etwas Deutsch? In Ohlstedt sind es mittlerweile ziemlich viele und viele davon machen große Fortschritte. Ohne Ehrenamtliche: Fehlanzeige! Die ca. 50 Kinder würden wahrscheinlich Löcher in den Schotter auf dem Platz bohren und irgendwann durchdrehen – genau wie die Erwachsenenen. Ich bin so froh, dass es die Ehrenamtlichen gibt!
Die spontan enstandenen Helferstrukturen sind ungemein leistungsfähig. Neben den mehreren hundert Helfern in Ohlstedt sehe ich das am Hauptbahnhof, im Bargkoppelstieg, in den Messehallen, in Bergedorf… ach, überall in Hamburg. Die Stadt setzt Koordinatoren ein, die den Kontakt zu den Freiwilligen verstärken sollen. Eine oder einen pro Bezirk. Der berühmte Tropfen auf dem heißen Stein. Bezahlt lieber die Ehrenamtler in der Flüchtlingshilfe! Sorgt dafür, dass sich niemand Sorgen machen muss, am Ende des Monats genug auf dem Konto zu haben, nur weil sie oder er Flüchtlingen hilft und gerade weniger fürs eigene Wohl arbeitet.
Liebe Britta,
vielen Dank. Ich schätze deine auf den Punkt gebrachten Blogbeiträge sehr! Weiter so!
Danke dir.
Bezahltes Ehrenamt? Ein gefährlicher Weg, eigentlich ein Widerspruch in sich.
Und: Wer über einen längeren Zeitraum weit über seine Kräfte und über das eigene Einkommen hinaus hilft, erweist der Sache und sich selber einen Bärendienst: so selbstkritisch sollte jede(r) mit dem eigenen Handeln schon umgehen, vor allem, wenn andere (vor allem: viel Ärmere, viel Schwächere) davon betroffen sind. Gerade jetzt, wo absehbar die Hilfestellung der Ehrenamtlichen über einen längeren Zeitraum erforderlich ist, sollte man sich doch nicht bis zur Selbstausbeutung und Schwächung der eigenen Kräfte einsetzen.