Ich bin Briefmarkenkäuferin

Rechnungen zu verschicken bringt mir nicht nur Spaß, weil dann in 98 Prozent der Fälle Geld ins Haus kommt. Ich kaufe einfach wahnsinnig gerne Briefmarken. Das dauert bei mir lange, weil ich mich nur an einem von acht Schaltern anstellen kann, nämlich an dem, der Sondermarken im Einzelverkauf hat. Das erkenne ich in ‚meinem‘ Postamt an einer mit Edding unbeholfen beschriebenen Pappe. Hinter dem Schalter steht immer der gleiche Mitarbeiter, der sich aber noch nicht an mich erinnert, weil ich auf Vorrat kaufe und nur alle paar Monate da aufschlage. Für die längere Wartezeit beschäftige ich den Mann hinter dem Schalter ausgiebig. Ich lasse mir alle Sondermarken zeigen.

Städteansichten finde ich der Regel langweilig und doof. Politikermarken kommen drauf an – die nehme ich natürlich nur, wenn mir der Politiker gefiel. ‚Gefiel‘, weil der ja schon tot ist, wenn er abgedruckt wird. Und ‚er‘, weil mir jetzt nur Männermarken einfallen (wenigstens bei den Politikern).

Hoch im Kurs stehen bei mir Marken von Lieblingsdichtern und Künstlern. Mein Briefmarken-Mitarbeiter hat mir mal erzählt, dass mitunter alte Männer zu ihm zurückkommen, weil sie die falschen Marken nach Hause gebracht haben. Die mochte die Frau dann nicht und sie mussten noch mal zur Post dackeln um „den düsteren Kram zurückzubringen“. Ehekrach wegen einer Briefmarke! Landschaften, Blümchen und Tiere sind da unverfänglich.

Ich habe ja auch immer noch die heutzutage beinahe romantische Vorstellung, dass die Empfänger meiner Briefe darauf achten, was für ein Portobildchen ich auswähle. Darum bekommt eine Umweltredaktion eine andere Marke als der politisch konservative Kollege (den ich mit der Briefmarke zwar nicht missioniere, aber möglicherweise ärgere). Die Redaktion mit dem trutschigen Layout bekommt eine Werkbundmarke, der zahlungsunwillige Kunde „Für uns Kinder“. Ich träume ja von Marken mit Aufdrucken wie ‚Mach keine Schulden‘ oder ‚Pünktlich zahlen macht glücklich!‘

Könnte ich jetzt gestalten mit einem neuen Angebot der Post. Im Besserwerber-Blog habe ich den Link zur selbstdesignten Briefmarke gefunden. Auf den Briefumschlag kann man auch gleich etwas aufdrucken lassen. Bei zwanzig Stück Mindestmenge kostet das 1,06 Euro pro Brief plus 0,55 Euro Porto. Ganz schön teuer. Und mein Empfänger kann die Briefmarke nicht mal mehr über Dampf ablösen und in sein Album stecken.

Ja, klar weiß ich, dass das heute sowieso niemand mehr tut. Aber der Gedanke, dass es jemand könnte… Dann wäre mein Briefmarkendesign wenigstens in irgendeiner Sammlung. Einen ganzen Briefumschlag bewahrt dagegen niemand auf. Dann bedruck ich doch lieber selbst und wähle weiter eine Briefmarke. Ist billiger und ich komme mal an die Luft.

16. März 2008 von Britta Freith
Kategorien: Arbeitsalltag, Kreativ sein, Selbstdarstellung, Stilkritik | Schlagwörter: , | Schreibe einen Kommentar

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